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Warum geht es bösen Menschen gut? Ehrliche Fragen stellen

Hiob

Warum geht es bösen Menschen gut? Diese Frage stellt sich, wenn man Hiob 21 liest. Diese zweite Antwort Hiobs an Zofar stand heute in meiner Bibellese auf dem Programm. Fällt es dir, wie mir, schwer in solchen Kapiteln den Wald vor lauter Bäumen zu sehen? Dann helfen dir hoffentlich folgende erarbeiteten Gedanken zu Hiob 21 (es ist sinnvoll auch den Bibeltext nachzuschlagen):

Hiob 21:1-6 – Die Einleitung von Hiobs Antwort an Zophar

Hiob bittet noch einmal angehört zu werden. Seine Anklage aus den anschließenden Worten richtet sich nicht gegen die Menschen, sondern indirekt gegen Gott. Hiob behauptet sogar, dass seine Worte sie erschrecken und fassungslos machen werden. Zumindest geht es ihm so. Was sollte sie schockieren?

Hiob 21:7-16 – Warum geht es bösen Menschen gut?

Hiob stellt seine Lebens- und Welterfahrung gegen die seiner Freunde: Warum geht es bösen Menschen gut, wenn sie doch etwas ganz anderes verdient haben? Anstatt dass Gott sie bestraft und austilgt, schenkt er ihnen unverständlicherweise ein langes Leben, Erfolg und die Freude an der unbeschwerten Fröhlichkeit ihrer Kinder und Enkelkinder. Sie sind ihres eigenen Glückes Schmied und brauchen Gott nicht.

Warum geht es bösen Menschen gut?

Hiob 21:17-21 – Die Ausnahmen bestätigen die Regel

Hiob weiß, dass er etwas einseitig gesprochen hat und korrigiert das Bild: Es gibt natürlich auch einige Gottlose, die ihr gerechtes Urteil erhalten. Doch das ist nicht die Regel – es gibt keine solche Gesetzmäßigkeit, wie seine Freunde behaupten. Auch die eventuell anfallende Strafe an den folgenden Generationen (wie in 2. Mose 34,7) findet Hiob nicht gerecht. Gott soll den Schuldigen seine Strafe selbst büßen lassen!

Hiob 21:22-26 – Das ungerechte gleiche Ende von Guten und Bösen

Wer könnte Gott dafür kritisieren, dass gute und böse Menschen dasselbe Schicksal trifft? Am Ende verrotten Gläubige und Ungläubige, die Glückspilze des Lebens und die ewig Benachteiligten nebeneinander in der Erde. Warum ist das so ungerecht?

Warum geht es bösen Menschen gut?
Statue „Hiob“ von Gerhard Marcks (1957) vor der St.-Klara-Kirche, Nürnberg

Hiob 21:27-34 – Ende der Antwort Hiobs an Zofar

Hiob ist sich der direkten und indirekten Vorwürfe seiner Freunde bewusst. Wenn es Hiob so schlecht geht und er Haus und Familie verloren hat, dann kann er nicht unschuldig daran sein. Es ist Gottes gerechte Strafe – so der Vorwurf der Freunde, den Hiob zurückweist. Hiob ermutigt über den Tellerrand zu schauen und die Menschen zu fragen, die die Welt gesehen haben. Sie werden bezeugen, dass bei vielen Unglücken die Bösen sogar verschont werden und sie niemand anklagt. Zu guter Letzt werden sie noch mit großen Ehren beerdigt. Was für ein Quatsch von einer gerechten Weltlenkung Gottes wollen die Freunde Hiob erzählen?

Was lernen wir aus Hiob 21?

Es gibt viele unterschiedliche direkte und indirekte Lehren in diesem Kapitel:

  1. Die Ungerechtigkeit dieser Welt sollte uns nicht kalt lassen, sondern schockieren (Hiob 21,1-6). Warum geht es bösen Menschen gut? Wer aufgehört hat zu leiden, der hat aufgehört zu lieben.
  2. Hiob ist Realist (Hiob 21,7-16). Er schafft sich die Welt und seine Theologie nicht, wie sie ihm gefällt. Unser Glaube muss die harten Realitäten und Wahrheiten „aushalten“.
  3. Es gibt keine absolute Gerechtigkeit hier auf dieser Erde! Bösen Menschen geht es oft gut (Hiob 21,17-21). Auch Gott richtet diese Gerechtigkeit noch nicht auf, auch wenn er vereinzelt gerecht bestraft.
  4. Wenn es keine Auferstehung der Toten gibt, ist das Treiben dieser Welt zutiefst ungerecht und frustrierend. Die Suche nach Gerechtigkeit könnte die Menschen zu Frage nach der Ewigkeit führen.
  5. Hiob weist falsche Kritik von sich (Hiob 21,27-34). Nicht alles Leiden ist eine unmittelbare Folge der persönlichen Sünde. Es gibt nicht nur eine Ursache bzw. einen Grund. Unsere Glaubensansichten müssen häufig differenzierter und nicht immer „schwarz-weiß“ oder „pauschal“ ausfallen.
  6. Das Kapitel 21 ist so wie das ganze Buch Hiob ein Schrei nach Gerechtigkeit und Erlösung: Wie schafft Gott Gerechtigkeit auf dieser Welt? Was hat der Gläubige davon zu glauben? Gibt es den Gerechten, der Gott auch im tiefsten Leiden um seiner selbst willen liebt und ehrt?  Wer die Antworten nicht kennt, lese in der Bibel das Neue Testament 😉

Was bedeutet „einige hier, die werden den Tod nicht schmecken…“?

nicht sterben bis Reich sehen

Von Zeit zu Zeit stolpert man über schwer zu verstehende Bibelverse. Matthäus 16,28 (bzw. Mk 9,1 und Lk 9,27 mit demselben Inhalt) ist so ein Bibelvers. Jesus sagt dort:

Wahrlich, ich sage euch: Es stehen einige hier, die werden den Tod nicht schmecken, bis sie den Menschensohn kommen sehen in seinem Reich.

Das Problem: Wie meint Jesus das?

Siehst du das Problem in diesem Vers? Wir denken beim ersten Lesen: Den Tod schmecken heißt sterben. Die Jünger von Jesus sind doch aber bereits alle gestorben – wie sollen sie dann Jesus Wiederkunft sehen, die noch bevor steht?

Hat Jesus hier eine falsche Aussage gemacht? Oder gibt es ein anderes besseres Verständnis dieses Bibelverses? Denk zunächst selbst einmal darüber nach und versuche eine Lösung zu finden…

Lösungsansatz A: Die werden den Tod nicht schmecken

Ein möglicher Lösungsansatz ist das andere Verständnis der Worte „den Tod nicht schmecken“. Der Tod von dem Jesus hier spricht, wird dann mit dem zweiten / ewigen Tod identifiziert.

In diesem Sinne sagt Jesus dann: Einige von euch Jüngern werden nicht ewig verloren gehen…

Diese Deutung wird durch Verse wie Johannes 8,51-52 möglich. Dort spricht Jesus nicht vom leiblichen Tod:

Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hält, der wird den Tod nicht sehen in Ewigkeit. Da sprachen die Juden zu ihm: Nun erkennen wir, daß du einen bösen Geist hast. Abraham ist gestorben und die Propheten, und du sprichst: Wer mein Wort hält, der wird den Tod nicht schmecken in Ewigkeit.

Doch in Matthäus 16,28 spricht das kleine Wörtchen „bis“ und damit die zweite Hälfte des Verses dagegen. „Einige von euch Jüngern werden nicht ewig verloren gehen, bis ihr mich wiederkommen seht.“ Das heißt, dann werden sie den ewigen Tod sterben? Das kann hier nicht gemeint sein.

Das heißt es muss um den leiblichen Tod gehen, der nach dem Sehen eintrifft… Aber von was?

Lösungsansatz B: den Menschensohn kommen sehen

Manche haben sich auf das „Reich“ bezogen und diese Verheißung ekklesiologisch verstanden. D.h. sie wurde durch das Pfingsterlebnis erfüllt.

In diesem Sinne sagt Jesus dann: Einige von euch Jüngern werden nicht sterben, bis sie sehen, wie ich mein Reich (durch die Gemeinde) auf dieser Welt anbreche.

Es ist ja richtig, dass die Gemeinde zum Reich Jesus gehört. Doch Jesus spricht hier eindeutig von sich selbst und nicht nur von dem Reich, das sie sehen werden. Aber Jesus wird hier wahrscheinlich nicht von seiner endzeitlichen Wiederkunft sprechen, da er ja selbst nicht weiß, wann der Zeitpunkt sein wird (Mt 24,36). Wie könnte er dann behaupten, dass manche Jünger sie erleben werden? Auch in Joh 21,22-23 gab es schon einmal das Missverständnis, dass die Jünger meinten, Jesus habe gemeint, dass der Jünger nicht sterben werde, bis er wiederkommt.

Wenn Jesus aber nicht von seiner endzeitlichen Wiederkunft spricht, wovon dann?

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Lösungsansatz C:  in seinem Reich

Der beste Lösungsansatz besteht im anderen Verständnis der Worte „in seinem Reich“. Das griechische Wort „basileia“ hat neben „Königreich / Herrschaftsgebiet“ auch die Bedeutungsmöglichkeit „königliche Macht/Pracht“.

In diesem Sinne sagt Jesus dann: Einige von euch Jüngern werden nicht sterben, bis sie mich mit meiner königlichen Macht gesehen haben. Diese Macht / Pracht sehen dann einige Jünger bei der Verklärung!

Für diese Auslegung sprechen folgende Argumente:

  1. Diese Auslegung ist natürlich, weil das Wort „basileia“ dieses Bedeutungsspektrum hat! Unser Auslegungsproblem entsteht also erst durch manche deutsche Übersetzungen, die mit „Reich“ übersetzen.
  2. Vorher (Mt 16,27) geht es um die Herrlichkeit des Vaters (wörtlich „in der Herrlichkeit seines Vaters“), in der der Menschensohn wiederkommen wird. Nun im Mt 16,28 spricht Jesus von seiner eigenen Pracht, die die Jünger vorher schon sehen dürfen!
  3. Alle Evangelien, die diese Verheißung beinhalten, berichten unmittelbar danach von Jesus Verklärung: Vgl. Mt 17,1-13; Mk 9,1-8; Lk 9,27-36. Das Auslegungsproblem wird erst durch die Kapiteleinteilung größer, die ja nicht ursprünglich ist.
  4. Matthäus enthält sonst selten Zeitangabe. Doch durch den nächsten Vers (Mt 17,1) wird bewusst die Verbindung zwischen der Verheißung und dem folgenden Ereignis hergestellt.
  5. Petrus (2Petr 1,16) und Johannes (Joh 1,14) beziehen sich auf diese Verklärung, bei der sie anwesend waren und bestätigen durch ihre Wortwahl diese Deutung.

Alles klar? Jesus hat seinen Jüngern sechs Tage vorher verheißen, dass einige von ihnen, seine königliche Macht / Pracht sehen würden – was dann bei der Verklärung geschah.

Hat dir das geholfen? Oder ist etwas unverständlich?