Wann starb Judas Iskariot? Vor oder nach der Auferstehung?

Die meisten Christen gehen davon aus, dass Judas direkt nach seinem Verrat die ganze Sache bereute und sich umbrachte. Auch ich habe bis vor kurzem so gedacht. Doch dann bin ich auf den Artikel „Wann brachte sich Judas Iskariot um?“ gestoßen und nun habe ich noch etwas recherchiert und bin mir nun ziemlich sicher, dass Judas erst nach der Auferstehung Selbstmord beging. Ich möchte gerne die Argumente und Gedanken dazu entfalten und bitte dich mir zu helfen, wenn ich falsch liege:

A) Alternative zur allgemein verbreitete Position: Judas starb nicht direkt nach seinem Verrat

Zu meinen, dass Judas sich direkt nach seinem Verrat – vor der Kreuzigung und der Auferstehung von Jesus – umgebracht hat, kommt von Matthäus 27,3-5:

3 Als Judas, der ihn verraten hatte, sah, daß er zum Tode verurteilt war, reute es ihn, und er brachte die dreißig Silberlinge den Hohenpriestern und Ältesten zurück  4 und sprach: Ich habe Unrecht getan, daß ich unschuldiges Blut verraten habe. Sie aber sprachen: Was geht uns das an? Da sieh du zu!  5 Und er warf die Silberlinge in den Tempel, ging fort und erhängte sich.

Wir können diese Beschreibung natürlich als zeitlich direkt aufeinander folgende Ereignisse verstehen.

Doch es gibt auch eine andere Möglichkeit, die aufgrund der noch folgenden Argumente wahrscheinlicher ist: Im Matthäusevangelium geht es zentral um Jesus. Randpersonen & ihre Geschichte werden häufig eingeschoben, müssen aber, so wie hier, nicht zeitlich parallel dazu erfolgen.

Das beste Beispiel sind die folgenden Verse Mt 27,6-10. In den Versen geht es um den Acker, der von Judas Geld gekauft wurde. Dieser Acker wurde selbstverständlich nicht während der Verhandlung (27,2 und 27,11 geht es weiter) gekauft, sondern erst später. Man musste zuerst ein Meeting ansetzen, bei dem man miteinander beriet, was man mit dem Geld machen sollte. Nach dem Entschluss mussten die Grundstücke besichtigt werden. Dann entschieden werden, welches man wählt usw.

Ebenso ist auch in Mt 27,3-5 die Geschichte von Judas zusammengefasst. Die Reue des Judas (wie in V.3 beschrieben) geschah ja auch nicht direkt nach der in V. 2 beschriebenen Verhaftung, sondern erst nach nach Jesu Verurteilung in 27,26. Erst irgendwann danach muss Judas die Möglichkeit gehabt haben mit den Priestern zu sprechen, weil sie bei der Verhandlung, Verurteilung und Kreuzigung dabei waren. D.h. auch der Selbstmord geschah erst viel später.

„The great topic that the Word of God describes in Matthew 27 is Jesus Christ and his passion. Thus, it has to discuss other things in brief parentheses. Verses 1-2 tells us that Jesus was brought to the governor. Then, verses 3-5 open a parenthesis where we learn very briefly what happened to Judas. We are not told when Judas committed suicide but what he did. Then a new parenthesis is opened in verse 6 that continues till verse 10 where it is describes again, very briefly, what happened to the thirty pieces of silver. Again the topic is not when these happened but what happened. Then verse 11 takes us back to the point where verse 2 left off (i.e. to the investigation of Jesus by Pilate). The parenthetical character of verses 3-10 and the fact that what is described there is not given in a time sequence relative to the great topic of the chapter (the passion of Jesus), is evident by just reading the passage without verses 3-10:“ (http://www.ecclesia.org/truth/judas.html)

Waren nur 11 Jünger dabei?
B) Die Berichte von der Erscheinung des auferstandenen Jesus vor den Jüngern

Wenn Judas sich erst nach der Auferstehung umgebracht hat, dann müsste das irgendwo in den Berichten der Evangelisten erkennbar werden. Und tatsächlich!

1. In Lukas 24,33-36 wird berichtet, dass Jesus sich das erste Mal elf Jüngern zeigte. Das erste Mal war an einem Abend des ersten Wochentags (Lk 24,1 -> 24,13 -> 24,29 -> 24,33). Man könnte meinen, das wären die Jünger ohne Judas. Doch aus Johannes 20,24 erfahren wir, dass Thomas bei dieser ersten Begegnung fehlte. Am Abend des ersten Wochentages (Joh 20,19) – bei der ersten Erscheinung war Thomas nicht dabei.

2. Auch Markus berichtet von den zwei Emmausjüngern (Mk 16,12-13), denen die 11 Jünger (Mk 16,14) nicht glaubten und denen Jesus erschien. Wiederrum müssen wir aufgrund von Joh 20,24 davon ausgehen, dass nicht Judas, sondern Thomas der fehlende Zwölfte ist! Er hat an diesem Abend gefehlt!

3. Johannes spricht auch nach der Auferstehung von den Zwölf! In Joh 20,24 heißt es:

Thomas aber, der Zwilling genannt wird, einer der Zwölf, war nicht bei ihnen, als Jesus kam.

Hier wird noch von zwölf Jüngern gesprochen! Man könnte meinen, dass es allein zur näheren Identifikation dient. Doch in dem Nebensatz „war nicht bei ihnen“ bezieht sich das „ihnen“ auf die Zwölf. Thomas war nicht bei ihnen (den Zwölf), als Jesus das erste Mal den Jüngern erscheint. Dies wird auch durch den folgenden Vers 25 bestätigt. Dort ist die Rede von „den anderen Jüngern“. Selbstverständlich sind die anderen Jünger die Zwölf (die in V.24 erwähnt werden) ohne Thomas!

4. Apg 1,2 spricht von den Aposteln, die Jesus erwählte. Apg 1,1-5 erklärt, dass diese seine Weisung erhalten haben, dass er sich ihnen zeigte usw. Wer sind die Apostel, die er erwählte? Ganz eindeutig die Zwölf (vgl. Lk 6,13-16). Judas war offensichtlich dabei!

Erst als die Jünger nach Galiläa zum Berg gehen, von wo aus Jesus in den Himmel stieg, sind sie nur noch elf (Mt 28,16 / Apg 1,6). Deshalb spricht der Engel zu ihnen als „Männer von Galiläa“ (Apg 1,11) – Judas war der einzige Jünger aus Judäa (siehe hier). Apg 1,2 spricht von den Jüngern, die Jesus erwählte im Gegensatz zu Petrus, der vom Tod von Judas ausgeht (Apg 1,15-26) – siehe Punkt 6.

Jesus erschien den 12 Jüngern!

5. Der offensichtlichste Beweis, dass Judas auch noch die Auferstehung von Jesus erlebte, ist 1Kor 15,5:

und daß er gesehen worden ist von Kephas, danach von den Zwölfen.

Im Zusammenhang geht es um die Auferstehung von Jesus. Sie wird durch die Erscheinung vor den Zwölf belegt. „Die Zwölf“ ist selbstverständlich der Titel der 12 Jünger von Jesus (Mt 26,14+47 / Mk 14,10+43, Lk 22,3+47, Joh 6,71) – inklusive Judas Iskariot!

Jesus erschien allen Zwölf – acht Tage nach der ersten Erscheinung waren seine Jünger (die Zwölf) alle zusammen (Joh 20,26)! Hier kann Matthias, der nachträglich gewählt wurde (Apg 1,26), nicht mit gemeint sein, weil Jesus sich 40 Tage lang sehen ließ (Apg 1,3) und erst nach seiner Himmelfahrt ein Ersatzapostel berufen wurde (Apg 1,15).

6. Die Nachwahl des 12. Apostels (Apg 1,15-26) wurde erst nach der Himmelfahrt nötig. Jesus hätte in den 40 Tagen nach seiner Auferstehung einen Ersatz für Judas wählen können. Schließlich war er ihr Meister. Doch dies wurde erst nach der Himmelfahrt nötig, weil Judas erst in dieser Zeit Selbstmord beging (Mt 28,16 / Apg 1,6.11).

 

C) Abschließende Gedanken zum Artikel

Aus dem Ergebnis, dass Judas Iskariot auch die Auferstehung miterlebte, gibt es m.E. keinerlei Konsequenzen. Es ist ein nebensächliches Thema, über das man nicht streiten sollte. Bitte verwendet diesen Artikel nicht, um besserwisserisch zu sein oder die Uneinigkeit unter Christen zu fördern. Es geht viel mehr darum, wie man die Evangelienberichte und den Bericht aus der Apostelgeschichte bzw. 1Kor 15,5 zusammenbringen kann.

Aber es stellt sich noch mehr die Frage, warum Judas sich umbrachte (man lese hier). Wenn Jesus auferstanden ist, ist seine Schuld doch überwunden! Doch Judas konnte sich wohl selbst nicht vergeben, ebenso wie auch viele Christen heute… Vielleicht hat der eigene Stolz damit zu tun? Dass man so enttäuscht von sich selbst ist…

Auf der anderen Seite ist es einfach noch bemerkenswerter, wenn Jesus auch dem Judas als Auferstandener erschienen ist und er im Kreis der Jünger bleiben konnte… Welch eine Liebe und Annahme von Jesus…

Dieser Artikel gehört zur Reihe „Alles über Judas Iskariot„.

3 Gedanken zu „Wann starb Judas Iskariot? Vor oder nach der Auferstehung?“

  1. Eine der miesesten Verfälschungen der Bibel ist diese: Seit fast 2000 Jahren wird Judas als der größte Verräter aller Zeiten hingestellt. Auch soll er sich nach seinem Verrat erhängt haben. Beides stimmt nicht! Judas wollte, dass Jesus König von Judäa wird. Aber Judas wurde durch die Pharisäer hereingelegt. Nachdem Judas merkte, auf welch entsetzliche Weise man ihm mitgespielt hat, flüchtete er, von Entsetzen gepeinigt, von dem Ort der Gefangennahme Jesu. Selbstmordgedanken mag er gehabt haben, aber er setzte sie nicht in die Tat um. Petrus sah, wie Judas von dem Ort der Gefangennahme floh, und war davon überzeugt, dass Judas den Meister verraten hat. Während Petrus seiner Entrüstung lauthals Luft machte, wies er mit dem Finger auf Judas. Von dieser Zeit an wurde Judas von allen gemieden, und alle zeigten mit dem Finger auf ihn. Nach einer gewissen Zeit hielt es Judas nicht mehr in Jerusalem aus. Er flüchtete nach Kerioth, in seine Heimat. Dort verkündigte er unermüdlich das Evangelium Christi. Als Judas 70 Jahre alt war, kamen die Römer. Sie nahmen Judas gefangen und kreuzigten ihn. Judas aber sagte: „Ich habe den Meister, ohne es zu ahnen, dem Kreuzestod ausgeliefert. Ich finde es daher als eine Ehre in Christo, auf dieselbe Weise zu sterben, wie Jesus Christus, wie der Mann, der nichts anderes wollte, als gelebte Nächstenliebe!“

    Dies sagte und schrieb, Benjamin, der jüngste Sohn des Judas. Nachzulesen in dem Werk: »Das Evangelium nach Judas«, von Benjamin Iskariot. Benjamin sagte: „Mein Vater war ein ehrenhafter Mann, er hat sich für Jesus eingesetzt bis zu seinem letzten Atemzug am Kreuz!“

    Ich wünsche Ihnen alles Gute für die Zukunft – Kurt Cornelius

  2. Ich finde Ihren Artikel sehr interessant und auch erleichternd. Obwohl ich nun seit 15 Jahren Lektor bin und die Texte schon x mal gehört und gelesen habe, habe ich noch nie so genau darauf geachtet. Es gibt ja viele Diskussionen darüber, ob Jesus auch gekreuzigt worden wäre, wenn Judas ihn nicht verraten hätte. Für mich besteht kein Zweifel: ja! Denn die Kreuzigung Jesu und seine Auferstehung sind ja die Erfüllung des messianischen Heilsplan Gottes. Er starb nicht, weil er verraten wurde, sondern weil er sich selbst hingegeben hat. Wäre er nur gestorben, weil er verraten wurde, würde der Kern unseres Glaubens keinen Sinn machen.
    Nun: Hätte Judas sich gleich nach dem Verrat erhängt, wäre das ja als Strafe Gottes für seinen Verrat zu sehen. Er erlebt weder Tod noch Auferstehung Jesu, er wird somit vom Heilsplan Gottes für seinen Verrat ausgeschlossen. Aber genau das machte für mich nie so richtig Sinn, denn Ostern wäre somit ja die Folge eines Verrats, einer Strafe Gottes; oder anders: Erlösung aufgrund von Verdammnis??? Das ist absurd.
    Wenn es aber stimmt, dass Judas Auferstehung und die Erscheinungen des Herrn danach miterlebt hat, ist das das österliche Zeichen schlechthin. Er, der Jesus verraten hat, ist Zeuge seiner Erlösung und wird dadurch selbst erlöst. Der Verräter ist Teil des Plans Gottes und seiner Hingabe.
    Vielen Dank!

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