Schlagwort-Archive: Shane Claiborne

Ich muss verrückt sein so zu leben IV

„Wie können wir sonntags einen Obdachlosen anbeten und ihn montags abweisen?“ S. 54

„Eines Tages bekamen wir einen Karton mit Spenden von einer der wohlhabenderen Gemeinden in der Nähe unseres Colleges. Auf der Pappe stand mit dickem Filzstift: „Für die Obdachlosen.“ Aufgeregt machte ich ihn auf – und durfte feststellen, dass er bis obenhin mit Popcorn für die Mikrowelle voll war. Zuerst hätte ich am liebsten gelacht. Wir hatten fast keinen Strom, geschweige denn eine Mikrowelle, und Popcorn stand nicht ganz oben auf meiner Liste der notwendigsten Dinge. Dann war mir eher zum Weinen zumute, weil die Kirche sich so weit weg von den Armen entfernt hat. In derselben Woche brachte eine andere Gruppe Spenden bei St. Ed vorbei – die Mafia. Die Medien stürzten sich natürlich auf die Geschichte. Die Mafia kam vorbei und schenkte jedem Kind ein Fahhrad, jeder Familie einen Truthahn und der Organisation Tausende von Dollars.“ S. 61

„Ich hatte von den Leprakranken gelernt, dass Lepra eine Krankheit der Gefühllosigkeit ist. Die Ansteckung lässt die Haut gefühllos werden, die Nerven spüren nichts mehr. Man stellte die Krankheit sogar fest, indem man mit einer Feder über die Haut strich. Wenn der Betroffene das nicht spürte, dann hatte man die Krankheit bei ihm festgestellt. Um das zu behandeln, schälten wir das vernarbte Gewebe so lange ab, bis der Erkrankte wieder etwas spürte. Als ich aus Kalkutta abreiste, hatte ich das Gefühl, in ein Land von Leprakranken zu reisen, ein Land aus Menschen, die vergessen haben, wie man fühlt, lacht, weint, ein Land, das von Gefühllosigkeit geplagt ist. Würden wir es wieder lernen können, zu fühlen?“ S. 88-89

Ich muss verrückt sein so zu leben III

„Wir leben allerdings in einer Welt, die die kleinen Dinge gar nicht mehr zu schätzen weiß. Wir leben in einer Welt, in der alles immer größer und größer werden muss. Wir möchten eine Megaportion Pommes, eine megagroße Limo, eine Megakirche. Aber inmitten dieser ganzen doppelten Portionen spüren viele von uns, wie Gott etwas Neues tut, etwas Kleines, Zartes.“ S. 24

„Wenn ich „stark“ bin, dann haben wir ein Problem. Entweder steht den Leuten Enttäuschung ins Haus oder sie haben noch keine Ahnung von Gott. Gott ist stark; er ist großartig, beeindruckend, Ehrfurcht gebietend.“ S. 26

„Außerdem frage ich mich, ob ich wirklich die Wahrheit geredet habe, wenn die Leute so in Wallung geraten, denn Jesus hat gesagt: „Wehe euch, die ihr jetzt von allen umschmeichelt werden, denn die falschen Propheten waren schon immer beliebt.“ (Lukas 6,26).“ S. 26.

„Wie Mutter Teresa immer sagte (nachdem sie die alte Geschichte erzählt hatte, wie sie Seesterne wieder ins Meer geworfen hatte, obwohl sie weiterhin zu Tausenden an den Strand gespült wurden): ‚Gott hat uns nicht zum Erfolg berufen, nur zur Treue.‘ Klingt gut, aber das war der Beginn meines jahrelangen Ringens mit der Spannung zwischen Effizienz und Treue.“ S. 76

Mutter Teresa sagte immer: „Wir können keine großen Dinge tun, nur kleine mit großer Liebe. Es geht nicht darum, wie viel man tut, sondern mit wie viel Liebe man es tut.“ S. 76-77

Ich muss verrückt sein so zu leben II

Sehr wahr:

Die Bibel ist sehr leicht zu begreifen. Doch wir Christen sind ein Haufen ränkevoller Schwindler. Wir tun so, als ob wir unfähig seien, sie zu verstehen. Wissen wir doch sehr genau, dass wir von dem Augenblick an, in dem wir sie verstehen, entsprechend handeln müssen. Nehmen Sie irgendein Wort aus dem Neuen Testament und vergessen Sie alles außer zu geloben ihm gemäß zu handeln. Mein Gott, werden Sie sagen. Wenn ich das tue, wird mein Leben in Trümmern liegen…Darin liegt der wirkliche Stellenwert christlicher Gelehrsamkeit. Das Studium des christlichen Glaubens ist die wunderbare Erfindung der Kirchen, mit Hilfe deren sie sich gegen die Bibel wehrt, um sicherzustellen, dass wir weiter gute Christenmenschen sein können, ohne das uns die Bibel zu nahe kommt. Ahh, unschätzbare Gelehrsamkeit, was würden wir ohne dich anfangen? Schrechlich ist es, dem lebendigen Gott in die Hände zu fallen. Ja, es ist sogar schrecklich, mit dem neuen Testament allein zu sein.

Rückübersetzung von Shane Claiborne in „Ich muss verrückt sein so zu leben“ aus Søren Kierkegaards „Provocations: Spiritual Writings of Kierkegaard“, ed. Charles E. Moore, 2002, Seite 201.

Ich muss verrückt sein so zu leben I

Ich bin das Buch von Shane Claiborne  „Ich muss verrückt sein so zu leben“ gerade zum zweiten Mal und finde viele Anregungen einfach klasse. Deswegen werde ich mal einige Zitate daraus zum Nachdenken rausschreiben:

Aber irgendwann meint man, dass Christsein doch mehr sein muss. Ich begriff, dass diese Prediger mich aufforderten, mein Leben dem Kreuz zu übergeben, dass sie aber nichts hatten, was ich nun stattdessen an mich nehmen konnte. Viele von uns bekamen „Rauch nicht, trink nicht, treib dich nicht in fremden Betten herum!“ zu hören und fragten sich natürlich bald: „Okay, das wäre jetzt wohl mein Leben gewesen. Und was mach ich nun?““Wo gab es jetzt was zu tun? Doch in dieser Hinsicht hatte anscheinend niemand viel zu bieten. Traktate vorm Einkaufszentrum zu verteilen schien uns nicht so richtig die erfüllte Jüngerschaft zu sein und ins Kino zu gehen war allemal lustiger. S. 36

Ich war ein „Glaubender“ geworden, aber von Nachfolge hatte ich keinen Schimmer. Man hatte mir beigebracht, was Christen glauben, aber niemand hatte mir gesagt, wie  Christen leben. S. 37

„Wie das in unserer Kultur so ist: Ich hab gedacht, ich müsste vielleicht mehr Dinge kaufen, christliche Dinge. (…) Ich bekam eine weit verbreitete Krankheit, von der die abendländische Christenheit mit ziemlicher Regelmäßigkeit heimgesucht wird. Ich nenne sie geistliche Bulimie. Bulimie ist natürlich eine tragische Essstörung, die viel mit Selbstwahrnehmung und Außenwirkung zusammenhängt und bei der die Betroffenen viel essen, das Essen aber wieder erbrechen, bevor es verdaut werden kann. Ich hatte die geistliche Variante, bei der ich meine Andachten las, alle neuen christlichen Bücher verschlang und mir die christlichen Filme ansah und dann Informationen über Freunde, Kleingruppen und Pastoren erbrach. Aber ich hatte niemals Gelegenheit zum Verdauen.“ S. 37-38

„Es gab eine ganze Reihe von Leuten, die über das Evangelium redeten und Bücher darüber schrieben. Soweit ich das überblicken konnte, hatte in jüngerer Zeit allerdings niemand mehr versucht, das Evangelium auch zu leben.“ S. 41